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Uiguren-Lager «legitim» (Jin Keyu an der CS-Spitze)

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Die Ökonomin Jin Keyu soll bald in den CS-Verwaltungsrat einziehen. Sie erachtet die Umerziehungslager in Xinjiang als «legitim». Die Bank äussert sich nicht dazu. «»

Jin Keyu hat eine eindrückliche Karriere hinter sich. Sie kam 1982 in Peking auf die Welt, besuchte in New York die Schule, studierte Wirtschaft in Harvard und lehrt seit 2016 als Ökonomieprofessorin an der London School of Economics. Wollen sich westliche Medien den Wirtschaftskurs Chinas erklären lassen, wenden sie sich an Jin. «»

Von diesem Wissen will auch die Credit Suisse profitieren. Jin soll Ende April von den Aktionären der Bank in den Verwaltungsrat gewählt werden. Es wäre nicht ihr erstes Mandat in der Schweiz, sie sitzt bereits im Verwaltungsrat des Luxusgüterkonzerns Richemont. «»

Kein Problem mit Uiguren-Lager

Doch lassen einige Aussagen Jins aufhorchen. Zu den Demonstrationen in Hongkong sagte sie vor rund einem Jahr dem «Magazin»: «Die Instabilität rührt nicht von Peking her. Sie wurde von einigen Bürgern Hongkongs verursacht.» Zum Umgang Chinas mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz in Xinjiang sagte sie: «Was wir aus der Region erfahren, ist, dass es dort Einrichtungen gibt, in denen den Menschen die chinesische Sprache und Kultur vermittelt wird und wo man versucht, eine stärkere Verbindung zu dem Land herzustellen, in dem sie leben. Ich halte das für legitim.» 

In einer UN-Erklärung vom letzten Oktober heisst es zu den Vorfällen in Xinjiang: «Es gibt immer mehr Berichte über systematische Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter oder Zwangssterilisation.» Auch würden Kinder ihren Eltern weggenommen. Die Schweiz hat das Papier nicht unterschrieben. Der Bundesrat sei aber über die Menschenrechtssituation in Xinjiang besorgt, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis kürzlich im Parlament. «»

Auf Anfrage dieser Zeitung nimmt Jin Keyu dazu folgendermassen Stellung: «Ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin und konzentriere mich auf Wirtschaftsthemen. Ich glaube nicht, dass ich jemals ein Interview gegeben habe, in dem ich mich zu Hongkong oder Xinjiang geäussert habe.» Derzeit würde sie nur Fragen zur Wirtschaft beantworten. Stattgefunden hat das Gespräch. Eine Tonbandaufnahme liegt der Redaktion vor, der Wortlaut des Interviews im Magazin wurde von Jin Keyu autorisiert. «»

Die Bank sieht in ihren Aussagen kein Problem. «Asien und insbesondere China sind ein wichtiger strategischer Wachstumsmarkt für die Credit Suisse», heisst es in einer Stellungnahme. Indem die Bank renommierte Expertinnen und Experten für den Verwaltungsrat vorschlage, gewinne sie ein besseres Verständnis über die Region und den asiatischen Markt. «»

Laut Ralph Weber, China-Experte und Professor an der Universität Basel, hat Jin Keyu in der Vergangenheit wiederholt eine Sichtweise vertreten, die der offiziellen Position des chinesischen Parteistaats sehr nahe kommt. So verstehe «der Westen» China nicht. Im Land herrsche einfach ein anderes System mit einer anderen Kultur vor, das der Bevölkerung aber ein ebenso gutes Leben ermögliche. «»

Ihre Nähe zur chinesischen Regierung ist kein Zufall: Jin Keyu stammt aus einer in China einflussreichen Familie. Ihr Vater Jin Liqun ist Präsident der Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank. Dabei handelt es sich um eine China-dominierte Alternative zur Weltbank, der auch die Schweiz angehört. «»

«Die Credit Suisse hat seit Jahren konsequent die Nähe zum chinesischen Parteistaat gesucht.» «»

«Die Credit Suisse hat seit Jahren konsequent die Nähe zum chinesischen Parteistaat gesucht», sagt Weber. 2018 musste sie 77 Millionen Dollar an das US-Justizdepartement bezahlen. Sie hatte in ihrem Hongkonger Ableger die Kinder einflussreicher Parteimitglieder eingestellt, obwohl sie für die Position gar nicht qualifiziert waren. «»

Vor drei Jahren holte die CS bereits Li Shan in den Verwaltungsrat, der in einem Beratungsgremium der Kommunistischen Partei sitzt. Seit letztem Sommer ist Janice Hu Chefin des China-Bereichs der Bank. Sie ist die Enkelin von Hu Yaobang, dem einstigen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas.

Und: Diese Zeitung berichtete darüber, wie die Bank letztes Jahr das Konto des Künstlers und China-Kritikers Ai Weiwei gelöscht hatte. Die CS schob dafür Formalitäten vor, politische Gründe schienen aber eher den Ausschlag gegeben zu haben. «»

Wie kommt sie bei den Aktionären an?

Doch geht die CS nun mit der Ernennung von Jin ein Risiko ein? «Das Verständnis vom und die Nähe zum chinesischen Parteistaat sind ja vermutlich mit ein Grund, warum sie für den Verwaltungsrat der Credit Suisse vorgeschlagen ist», so China-Experte Weber. «Ein Risiko geht die Credit Suisse damit vielleicht insofern ein, als ihre extrem verharmlosenden Ansichten etwa zu Hongkong oder Xinjiang nicht bei allen Aktionären auf Anklang stossen könnten.» «»

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